Der Aufzug bringt uns in den zweiten Stock. Während sich die Türe langsam aufschiebt, springen uns zwei neon-grüne Pfeile ins Gesicht. Auf dem Boden angebracht, wollen sie uns den Weg weisen. Geradeaus oder rechts? Wir entscheiden uns für Ersteres, biegen noch einmal scharf links ab, vorbei an Jean Prouvé und Ludwig Mies van der Rohe und gelangen schließlich in einen geräumigen hellen Raum. Ein Schild mit der Aufschrift „MKG Messe Kunst und Handwerk“ sagt uns: hier sind wir richtig.
130 Jahre und mehr – eine lange Zeit, in der die MKG Messe Kunst und Handwerk zeitgenössischen Kunsthandwerkern und Designern die nötige Plattform bietet, um sich einem breitgefächerten Publikum zu zeigen. Gastgeber ist auch in diesem Jahr das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG), das in Kooperation mit der Justus Brinckmann Gesellschaft nicht nur die Räumlichkeiten stellt, sondern auch den mit 7.500 € dotierten Justus Brinckmann Preis verleiht.
Zu sehen sind Werke aus den Bereichen Schmuck, Textil, Tafelgerät, Glas, Möbel, Keramik und Holz, wovon insbesondere die letzten Drei unsere Spürnasen kitzeln. Thematisch ist die Messe zwischen verschiedenen Polen zu verorten: ökologisch und nachhaltig oder mondäner Luxus? Einzelstück oder Produkt der Masse? Und wer lotet diese Gegensätzlichkeiten jetzt aus?
Da haben wir zum Beispiel Friedemann Bühler. Der in Stuttgart geborene Künstler versteht sich auf sein Handwerk. Seine skulpturalen Gefäße sind die Ersten, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Kaum zu glauben, dass aus Eichen-, Eschen-, Walnuss- oder Ahornholz sowie Elbbeere, Birke oder Weißbuche derart filigrane Schalen entstehen. Das Besondere ist vor allem ihre Oberflächenstruktur. Je nach Art der Behandlung – ob Bürsten, Beizen oder Bleichen und viele weitere mehr – entsteht ein eindrucksvolles Äußeres, das die spezielle Maserung der jeweiligen Holzart kunstvoll zur Geltung bringt.
Othmar Prenners „Black Bowles“ sind ebenfalls aus Holz gefertigt. Jedoch ist es hier das konträre Farbenspiel, das eine anziehende Wirkung auf uns übt: Zirben- oder Lärchenholz wird mittels eines speziellen, von Prenner entwickelten Verfahrens so verbrannt, dass die charakteristische pechschwarze Fassade der „Black Bowles“ entsteht. Der Kontrast zum hellen Holz auf der Innenseite der Schalen hat dabei fast schon etwas Magisches. Übrigens: die Bezeichnung „Black Bowle“ trifft auch auf eine Veilchen-Art zu, die samtige schwarze Blütenblätter und in der Mitte ein kleines gelbes Auge besitzt. Vielleicht der Namensgeber? Wer weiß.
Ganz harmonisch und sanft geht es dann in einem leicht abgedunkelten Zwischenraum weiter. Und das hat seinen guten Grund, denn hier finden wir die handgefertigten Lichtobjekte von „OH“. Kaum haben wir den Namen auf dem Visitenkärtchen gelesen, hören wir es hinter uns kichern. „OH, wie ist das schön“ sagt eine Besucherin, woraufhin die andere amüsiert auf das Kärtchen mit dem Namen tippt. Wie passend, finden wir. Denn die Lichtgestalten von Setbyol Oh sind wahrhaft anmutige Schönheiten und allesamt aus koreanischem Maulbeerpapier gefertigt. Jedes einzelne plissierte und gefärbte Papier wird dabei Blatt für Blatt auf ein Grundgerüst geklebt, durch das eine Lichtquelle im Inneren zart hindurchschimmern kann.
Keramik und Porzellan dürfen auf unserem Rundgang auf keinen Fall fehlen. Also zurück zum Aufzug und von dort aus in die Räumlichkeiten rechter Hand. Hier hat Kiho Kang seinen Stand. Die kantigen und streng geometrischen Gefäße sind von außen matt und unglasiert. Im Inneren hingegen teilweise mit transparenter Glasur versehen. Wulsttechnik nennt sich die spezielle Vorgehensweise, die Kiho Kang verwendet. Das Faszinierende an seinem Werk ist die dynamische Gruppenwirkung. Gemeinsam arrangiert, erinnern Teekannen, Vasen und Schalen fast an ein städtisches Panorama.
Mit Kyungmin Lee und seinen grazilen Porzellanvasen beenden wir unseren Messe Rundgang. Hier wird das Weibliche in den Vordergrund gerückt, was wohl nicht zuletzt dadurch zustande kommen mag, als dass die kunstvoll geschwungenen Gefäße Assoziationen von Blütenknospen mitsamt Blüten wecken.
Bevor wir den Aufzug ins Erdgeschoss nehmen, werfen wir noch einmal einen Blick auf eine der Besuchertafeln zum Thema Design. Dort steht „(Design) weckt Sehnsüchte, bedient Emotionen, definiert Lebensstile und Identitäten“ – wie wahr, denken wir, stopfen die gesammelten Visitenkarten zwischen die vom Schreiben leicht zerknitterten Seiten unseres Notizblocks und drücken die Taste E des Fahrstuhls. Tabea Albrecht